Wellesweiler Open Air 2023

Dorf-Idyll Wellesweiler

Seit 2016 findet in Wellesweiler nahe Neunkirchen (Saar) ein kleines Festival statt, dass sich augenzwinkernd WWOA nennt, in Anlehnung zu Wacken natürlich. Da es ganz in Schnapsunmetal-Nähe liegt, statten wir ihm einen Besuch ab.

Es ist beschaulich, idyllisch an der Blies gelegen direkt an Sportplatz und Schule. Somit wirkt es mehr wie ein Dorffest, nur eben mit Metal statt Schlager. Mit einem Eintrittspreis von 23 € für beide Tage ist es extrem günstig, wobei Bier (Karlsberg Ur-Pils 4,50 € für 0,4er) und Essen leider normal teuer sind. Es gibt Würste, Schwenker, Pommes, Burger und Wraps.

Freitag 17 Uhr geht es los und die Eintretenden Headbanger werden von Sängerknabe Maurice am Mikro begrüßt, der Mucke aus der Konserve mit Gesang versieht; einwandfrei gesungen, mutig für einen so jungen Kerl. Allerdings sind Coverhits wie Purple Rain oder Holy Diver zum schmunzeln.

Bobby Scar

Mit peinlichem Band-Namen betreten die Feierabend-Musiker von Bobby Scar die Bühne und dies ist gleich ihr erstes größeres Konzert. Daher darf man nicht so viel erwarten. Hauptsache die vier Jungs haben ihren Spaß.

Franco, Marc, Sebastian und Micky sind direkt hier aus der Ecke und freuen sich über die Chance, vor theoretisch vielen Zuschauern zu spielen. Doch noch sind nicht alle Besucher eingetrudelt und die meisten nehmen bei der Hitze ein kühles Getränk an den Ständen zu sich.

Tortuga

Die nächste Gruppe ist merklich schon halb-professionell. Tortuga aus der Saaribik spielt, wie man womöglich ahnt, Piraten-Rock. Der ist sehr abwechslungsreich und lockt tanzende Alestorm zugeneigte Hörer und ein paar Kinder an.

Von den (diesmal) nur vier Mitgliedern aus dem Hochwald strahlt besonders Sängerin Mary ne Menge gute Laune aus. Dumm nur, dass Bassist Three Finger Bill wegen Skorbut nicht dabei sein kann und dessen Instrumenten-Klänge genau wie die Zieharmonika aus den Boxen eingespielt werden müssen. Trotzdem klingt die Show halbwegs ordentlich eingeübt. Am Schlagzeug sitzt für dieses Konzert anstelle von Woodleg Willy ein junger Leichtmatrose, der sich jede Menge Mühe gibt und nur den Einsatz ab und zu verpasst. Trotzdem ziemlich gut.

Sonic Dynamite

Hauptsächlich aus dem Saarland kommend mit einem Berliner Mitglied sind Sonic Dynamite schon zehn Jahre dabei. Wenn man für ihren Musikstil in eine bestimmte Schublade greifen wollte, dann wäre das wohl die mit Melodic Metal drin.

Total sauber und routiniert gespielt kommt die Mucke live recht gut an, nur bei mir zündet hier kein Dynamit, und schon gar nicht blitzschnell. Irgendwie klingt mir das alles zu einheitlich und brav. Die Jungs feiern ihren eigenen Auftritt dafür richtig ab und sind glücklich, auf dem Festival sein zu dürfen.

Odium

Danach wird aus meiner Sicht mit Odium aus Frankfurt (am Main) ein Gang hochgeschaltet. Das bedingt allein schon ihr Thrash Metal Sound, wobei man da direkt an die hessischen Kollegen von Tankard denken wird.

Routine von über 30 Jahren zahlt sich halt aus. Auch wenn sie nicht ganz an Gerres Giganten aus demselben Ort herankommen, macht die Gruppe echt Spaß: Ralf am Mikro, Belinda am Bass, Rochus und David an den Gitarren und Marcel hinter der Schießbude.

Stormage

Co-Headliner ist am Freitagabend Stormage aus Plettenberg. Das liegt nicht im Ruhrpott, sondern im Sauerland. Auch wenn sie ihre Musik selbst als Power Metal bezeichnen, klingt das alles sehr rotzig und geht gut Richtung Thrash. Das trifft natürlich auf offene Ohren.

Rampensau Heiko an Gitarre und Mikro lockt als erstes Mal die nach der Pause weggeschlichenen Zuhörer wieder ran. Bei dem gefälligen Kram fragt man sich irgendwie, warum sie nicht bekannter sind. Ich mache einen Grund aus: Es fehlt nicht viel, doch richtige eigenständige Knaller sind kaum im Repertoire. Ansonsten ziemlich gut.

Surrender the Crown

Ohne Witz kommt das beste vom Freitag zum Schluss. Ich bin nicht der größte Fan von Hard Rock mit Metalcore-Tendenz aus dem Topf von Asking Alexandria, Parkway Drive oder Avenged Sevenfold. Surrender the Crown aus Saarbrücken kann man allerdings wirklich nur loben.

Die Gruppe aus Oliver, Philipp, Patrick und den zwei Matthias' spielen extrem professionell auf. Ihr Lokalkolorit können sie dann doch nicht ganz verbergen, als Matthias Braun ein paar Worte auf Saarländisch ans Publikum richtet. Seine Stimme ist hervorragend, wenn man klaren Gesang gut vertragen kann.

Call of the Sirens

Auch Am Samstag Nachmittag darf ein singender Jüngling die Gäste begrüßen. Diesmal ist es Elias mit seiner Gitarre, aber nicht der vom WWE-Wrestling. Leider habe ich ihn gerade verpasst.

Call of the Sirens aus der Pfalz sind dann als erste Gruppe des Tages dran. Sie drehen so laut auf, dass man sie schon von weitem aus dem Dorf hören kann. Obendrein gibt es einen Endzeit-Pfalz-Partnerlook zu bestaunen. Gepaart mit dem teilweise (?) pfälzischen Geplärre kommt dies symphatisch rüber. Nur wozu sind die Schienbeinschoner gut?

Als kritischer Headbanger, der Empfehlungen zum Besuch an Anspruchsvolle verteilt, muss ich sagen: Den fünf Jungs fehlt noch der Feinschliff. Ansonsten dürfen zum Beispiel Hörer der Apokalyptischen Reiter schon mal testweise lauschen. Irgendwann wären sie vielleicht was für eine Halbzeit-Show auf dem Betze (anstelle von Anonyme Gitarrischde).

Da Seelenkraft aus Frankfurt kurzfristig absagen müssen, kann Call of the Sirens ne Menge Songs mehr zum Besten geben als ursprünglich gedacht.

Amantis

Bereits 2019 war Amantis aus Ludwigshafen auf dem Wellesweiler Open Air. Mit Katharina ist die Gruppe neben Tortuga die einzige mit weiblichem Gesang. Sie verleiht dem Heavy Rock mit weitgehend sanfter Stimme ein variables Gesamtbild.

Somit passt die Band vom Rhein recht gut ins Line-Up des Festivals, auf dem es musikalisch weitestgehend gemäßigter zugeht. Pink Cream 69 wäre halt der perfekte Headliner. Amantis indessen gefiel mir weniger gut. Dafür fehlen schlicht Ecken und Kanten.

Red Raven

Red Raven musste nicht weit fahren, denn sie kommen aus dem Nachbardorf Bexbach. Seit 2021 ist Sänger Frank Beck nicht mehr dabei, da die Pandemie ihn dazu zwang, sich auf andere Projekte zu konzentrieren, von denen man leben kann. Neu am Mikrofon ist jetzt Martin Herrmann, der sich mächtig ins Zeug legt und bei der Hitze wirklich ins Schwitzen kommt und nach Luft schnappen muss.

Insgesamt machen es die Jungs mit ihrem melodischen Rock recht gut und kommen deutlich besser an als Amantis zuvor. Das merkt man dem Publikum deutlich an. Sie wirken authentisch und ich würde sagen halb-professionell.

Night Laser

Nach weiter Anreise aus Hamburg kommen Night Laser ganz knapp noch rechtzeitig auf die Bühne. Ich habe bei den Nordlichtern ein bisschen das Bild von Klaus vor Augen („Luden - Könige der Reeperbahn“). Der positive erste Eindruck wird mit der besten Show des gesamten Festivals bestätigt.

Die Glam Metaller bestehen aus den Brüdern Benno (Gesang) und Robert Hankers (Gitarre), Schlagzeuger Jonas Günther und Bassist Tony Boback. Ihr Wunsch ist es, laut Benno, bald in Kalifornien aufzutreten. Das ist absolut in greifbarer Nähe. Mit solchen Prognosen liege ich schließlich bisher immer richtig.

Sie haben Star-Appeal, wie Westernhagen sagen würde. Kommender Headliner! Das Album „Power to Power“ habe ich mir an ihrem Stand abgeholt und es steht etwas darüber in der Metal-Rubrik.

Vanish

Danach sind die Zuschauer fast schon ein bissel ermattet. Doch Vanish aus Stuttgart treten zum Abschluss richtig aufs Power-Metal-Pedal. Routiniert kreischt Bastian deren makellose Titel raus und wird von den fünf Kollegen Ben, Philipp (beide Gitarren), Andi (Bass) und Ralf (Schlagzeug) unterstützt.

Wer heimlich auf Primal Fear oder vielleicht auch Brainstorm schwört, der liegt hier mit Vanish nicht falsch. Gutes Anzeichen ist es immer, wenn solch super-melodischer Metal mir altem Knüppler Begeisterungsstürme abringt. Power Metal ist eben immer prima als Haupt-Akt geeignet. Die Schwaben stehen nicht weit hinter anderen großen Musikern des Subgenres zurück.

Fazit

Aus dem gemütlichen, kleinen Rock- und Metalfestival hat Night Laser weit rausgeragt

Das Wellesweiler Open Air ist noch ein bisschen klein und für seine Kapazität noch nicht gut genug besucht. Dennoch ist die Stimmung dort gut und die Musik allemal besser als irgendwelche Stadtfest-Schlagerbarden.

Die Qualität der Bands rechtfertigt keine Reise von sehr weit her. Wer jedoch aus machbarem Umkreis rankommen möchte, dem kann man es aufgrund des niedrigen Eintrittspreises sehr empfehlen. Die härteren Klänge aus dem Metal-Universum werden zwar ausgespart, aber wer es „True“ und melodisch mag, der freut sich.

In jedem Festival verbirgt sich eine Offenbarung und das ist hier Night Laser gewesen, die ich nicht nur Glam-Rockern weiterempfehlen muss. Die sind schon jetzt ganz oben dabei, haben ne Menge Lust und wirken extrem symphatisch. Headliner-Potential ist in jedem Fall vorhanden und mit solcherlei Tipps lag ich ja auch damals bei In Extremo, Volbeat und Powerwolf richtig.